Dieser Text ist schon etwas älter, habe ihn beim stöbern auf meinem alten Computer gefunden.
Einen aktuelleren Artikel gibt es in der Wikipedia.

Schußsichere Westen

Offensichtlich bestehen in der Öffentlichkeit einige Mißverständnisse bezüglich Aufgabe und Wirkung von beschußhemmenden Westen. Daher soll diese Seite erklären wie solche Westen aufgebaut sind, was sie können und was sie nicht können.

Geschichtliche Entwicklung:

Der Wunsch sich gegen Wirkungen von Waffen zu schützen ist so alt wie die Waffen selbst. Als Schutz gegen Feuerwaffen und Granatsplitter kamen lange Zeit nur Lösungen aus Metall in Frage. Solche Körperpanzerungen aus Metall waren natürlich zu schwer und unbequem, als daß sie auf längere Zeit am Körper getragen werden konnten.

Während des ersten Weltkrieges wurde dann das erste Mal erfolgreich mit nichtmetallenen Werkstoffen experimentiert. Es wurde festgestellt, daß ein Schutzpaket aus mehreren Lagen Seide Granatsplitter aufzuhalten vermag. Jedoch war eine Massenproduktion wegen der geringen Verfügbarkeit von Seide nicht möglich.
Anfang der vierziger Jahre konnte Nylon als hochfeste Chemiefaser in Massenproduktion hergestellt werden. Die Schutzpakete aus Seide wurden durch Nylongewebe ersetzt. Schon 1941 wurden US-amerikanische Flugzeugbesatzungen mit Splitterschutzwesen aus Kunstfaser ausgerüstet. Im Korea- und Vietnamkrieg wurden Splitterschutzwesten auch Bestandteil der Ausrüstung von Bodentruppen.

Mitte der sechziger Jahre gelang es der Firma DuPont die Nylonfaser weiterzuentwickeln: Para-Aramid, bekannt unter dem Markennamen Kevlar. Dieses Para-Aramid besitzt eine fünfmal höhere Zugfestigkeit als legierter Stahl. Damit war es möglich Schutzwesten nicht nur gegen Splitter herzustellen, sondern auch Schutz vor Geschossen aus Faustfeuerwaffen (Pistolen, Revolver etc.) zu bieten. Einschubplatten aus laminiertem Aramidgewebe bieten darüber hinaus auch Schutz gegen Projektile aus Langwaffen (Gewehre zB.).

Anfang der achtziger Jahre entwickelte die Firma DSM eine hochfeste Faser aus Polyethylen. Seit Ende 1990 wird diese HPPE (HighPerformancePolyEthylene) oder auch UHMWPE (UltraHighMolecularWightPolyEthylene) genannte Faser von DSM unter dem Markennamen Dyneema in größeren Mengen vertrieben.
Lizenznehmer gibt es in den USA (Allied Signal, Markenname: Spectra) und Japan (Toyobo).

Unterschiedliche Anforderungen von Militär und Polizei:

Aus dem unterschiedlichen Auftrag von Polizei und Militär ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an eine Schutzweste.
Das Militär benötigt hauptsächlich eine "Splitterschutzweste". Die Erfahrungen der letzten Kriege haben gezeigt, daß die meisten Soldaten, neben Krankheiten, hauptsächlich durch Splitterwirkung verwundet oder getötet wurden - weniger durch direkten Beschuß aus Feuerwaffen.
Eine Splitterschutzweste sollte angenehm zu tragen sein und für den "24h-Kampftag" geeignet sein; dh. sie gehört zur persönlichen Ausrüstung und sollte rund um die Uhr zu tragen sein. Sie sollte unempfindlich gegen Witterungseinflüssen (Regen, starke Sonneneinstrahlung) sein.

Die Polizei braucht dagegen Westen, welche möglichst absoluten Schutz bieten. Hier gibt wiederum zwei Unterscheidungskriterien:

Die Weste, die ein Streifenbeamter täglich zur Vorsorge trägt (Unterziehweste), möglichst bequem und unauffällig unter dem Hemd zu tragen (entspricht in etwa einer Splitterschutzweste – schützt aber etwas weniger, da weniger Körperpartien abgedeckt sind).

Die "Panzerung" die bei speziellen Einsätzen notwendig wird. Dabei werden Stahl und Keramikplatten in die Weste eingeschoben und fast der ganze Körper abgedeckt. Dazu kommen noch schußsichere Helme, Visiere und evtl. Schilde. Das hat natürlich nichts mehr mit Tragekomfort zu tun und läßt sich auch nur wenige Stunden tragen.

Schutzklassen:

Militärische Splitterschutzwesten werden anders beurteilt, als polizeiliche beschußhemmende Westen.
Die NATO bewertet Splitterschutzwesten danach, ab welcher V0 ein standartisierter Splittersatz (STANAG) die Weste zu 50% durchdringt. Bei den üblichen Westen (zB. der von der Bw verwendetenden) liegt diese V0 bei 450 m/s. Dh. einerseits: Bei einer V0 von 450 m/s durchdringen 50% der Normsplitter die Weste, andererseits, eine NATO-Splitterschutzweste schützt teilweise vor Faustfeuerwaffen (V0 ca. 345 - 390 m/s). Versuche von Privatpersonen bestätigen dies (Die Splitterschutzweste der Bw wurde mit verschiedenen Pistolen beschossen – kein durchdringen des Schutzpaketes bzw. Durchdringen erst mit Spezialmunition).
http://www.iaidoka.de/docloch.htm

Offizielle Schutzklassen (Technische Richtlinie der Polizei)

SK1:
zum Schutz gegen gebräuchliche Geschosse aus Faustfeuerwaffen. Als Bedrohung wird hier das Kaliber 9mm × 19mm angenommen, allerdings mit der höheren Mündungsgeschwindigkeit (V0) einer Maschinenpistole. Somit wird ein großer Teil der durch Faustfeuerwaffen entstehenden Bedrohung erfaßt. (Eine Splitterschutzweste der NATO entspricht in etwa dieser Schutzklasse)

SK2:
Schutz gegen alle Geschosse aus Handfeuerwaffen, also auch der mittlerweilen vom Markt genommenen KTW-Munition. Ein Nachbau dieser speziell für den Durchschuß schußsicherer Westen entwickelten Munition bildet den Prüfstein dieser Schutzklasse, zudem wird hier mit recht hohen Geschwindigkeiten geprüft.

SK3:
Schutz gegen Weichkerngeschossen aus Langwaffen. Als Prüfgeschosse dienen die Kaliber 7,62 mm × 51 mm (.308 Winchester) und 5,56 mm × 45mm (.223 Remington). Diese im militärischen Bereich üblichen Kaliber decken stellvertretend einen großen Bereich der Bedrohung durch Gewehre ab.

SK4:
Schutz gegen Hartkerngeschosse aus Langwaffen. Zur Anwendung kommen die gleichen Kaliber wie bei SK3, allerdings mit wesentlich durchschlagkräftigeren Hartkernprojektilen.

Physik:

auftreffendes Projektil Das auftreffende Geschoß vermittelt seine Bewegungsenergie an das Schutzpaket aus hochfesten Fasern. Diese Fasern dehnen sich und nehmen dabei die Bewegungsenergie auf. Das Geschoß selbst wird dabei deformiert, wobei auch Energie umgewandelt wird. Jetzt werden solange die Fasern gedehnt, bis sie entweder reissen oder die Bewegungsenergie des Projektils aufgebraucht ist.

Gefahren bei der Benutzung:

Oft wird die Schutzwirkung einer beschußhemmenden Weste überschätzt. Eine solche Weste soll das durchdringen des Materials durch ein Geschoß verhindern. Die Bewegungsenergie eines Projektils wird dennoch an den Körper weitergegeben (Eindellung). Ein Treffer auf einen Schutzwestenträger in der Herzgegend kann durchaus einen Herzkreislaufstillstand auslösen.
Überhaupt entspricht die an den Körper abgebene Energie, der eines Schlages mit der Energie des auftreffenden Geschosses. Die Weste (soll) verhindert nur das durchdringen des Körpers durch das Geschoss – den Schlag des Geschosses bekommt der Körper dennoch ab. Schockabsorber (Trauma-Plates) sollen die auftreffende Energie nun möglichst gleichmäßig verteilen.
Stichwaffen werden von einer nur aus herkömmlichen Kunstfasern bestehenden Weste überhaupt nicht abgehalten. Zum Schutz gegen Messer müssen Keramik oder Stahleinschübe benutzt werden.
Neuere Westen werden durch Verwendung der Faser Dyneema Flex (R) im Schutzpacket stichhemmend gemacht.

Fazit:

Ballistische Schutzwesten können Leben retten. Man muß sich aber klar darüber sein, wie sie funktionieren und was sie nicht leisten können.

Quellen und interessante Links:

Barett 2/97 S.41 - 43
Diverse Newsgroupbeiträge aus news:de.alt.technik.waffen
http://www.ast-security.de/
http://www.dupont.com/afs/index.htm
http://www.elp-logistik.com/katalog/deutsch/10Koerperschutz/index.shtml

Verbesserungsvorschläge, Kritik und Anmerkungen zu diesem Text nehme ich gerne entgegen:
Post an:Markus Machner
zuletzt geändert am 26.08.2000

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